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Auslegung einer Jugendamtsurkunde: Kindesunterhalt im Einzelfall erst zum 20. eines Monats fällig

BGB § 1612 Abs. 3
LG Potsdam, Beschl. v. 26.02.2015 – 11 T 11/15

Sachverhalt

Der Gläubiger ist der durch seine Mutter vertretene minderjährige Sohn des Schuldners, der gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem Unterhaltstitel gegen den Schuldner betreibt. Der Schuldner hat sich in der Jugendamtsurkunde der Stadt Potsdam vom 24.04.2014 verpflichtet, gemäß Ziffer I. monatlich 225,00 € vom 01.01.2014 bis 01.07.2019, danach monatlich 291,00 € Unterhalt zugunsten des Gläubigers zu zahlen. In Ziffer II. dieser Jugendamtsurkunde heißt es: „Ich verpflichte mich zur Zahlung des Unterhalts am 20. eines jeden Monats im Voraus zu Händen des jeweiligen gesetzlichen Vertreters des Kindes“.

Das Amtsgericht Potsdam erließ auf Antrag des Gläubigers am 16.09.2014 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem der monatliche Unterhalt von 225 € für den Monat August 2014 zuzüglich Kosten sowie auch der monatliche Unterhalt, zahlbar am 20. Eines jeden Monats, laufend ab 20.09.2014 gepfändet wurde. Unstreitig wurde der Unterhalt für Juli 2014 am 21.07.2014, für August 2014 am 18.08.2014, für September 2014 am 22.09.2014 und für Oktober 2014 am 21.10.2014 auf dem Konto der Mutter des Gläubigers gutgeschrieben.

Gegen den Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 16.09.2014 legte der Schuldner am 18.11.2014 Erinnerung ein. Das Amtsgericht hob sodann mit Beschluss vom 22.12.2014 den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 16.09.2014 auf und wies den Antrag des Gläubigers auf Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurück und erlegte dem Gläubiger mit weiterem Beschluss vom 07.01.2015 die Verfahrenskosten auf.
Gegen diese beiden Beschlüsse wandte sich der Gläubiger sodann mit der sofortigen Beschwerde vom 14.01.2015 und der Erinnerung vom 16.01.2015, indem er beantragte, den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 16.09.2014 wiederherzustellen und die Verfahrenskosten dem Schuldner aufzuerlegen.

Entscheidungsinhalt

Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 14.01.2015 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 22.12.2014 (Az.: 49 M 2356/14) zurückgewiesen und dem Gläubiger die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Die zulässige form- und fristgerechte eingelegte sofortige Beschwerde nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO wurde vom Landgericht als unbegründet erachtet.

Das Landgericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Schuldner sich bei Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 16.09.2014 mit der Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen nicht im Verzug befunden hat. Nach Ansicht des Landgerichts ist der zwischen den Parteien streitige Inhalt der Urkunde über die Verpflichtung zur Unterhaltsleistung vom 24.04.2014 nach seinem Inhalt und unter Berücksichtigung des gemäß §§ 133, 157 BGB maßgeblichen Empfängerhorizontes auszulegen. Gemäß § 1612 Abs. 3 BGB ist der Kindesunterhalt nicht am Ende eines jeden Monats, sondern monatlich im Voraus zu zahlen und damit grundsätzlich zum Monatsersten zu zahlen. In der diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Jugendamtsurkunde hat sich der Schuldner zur Zahlung des Unterhalts am 20. Des jeweiligen Monats im Voraus verpflichtet. Das Landgericht stellt hierzu fest, dass dies entgegen der Ansicht des Gläubigers nicht allein bedeuten kann, dass der Unterhalt noch vor dem gesetzlich bestimmten Monatsersten und damit am 20. des Vormonats fällig ist. Dabei stellt es darauf ab, dass vom Wortsinn her auch eine Zahlung am 20. eines Monats des Abrechnungszeitraums eine Vorauszahlung sein kann. Weiter wird dies vom Gericht darauf gestützt, dass dies vom Schuldner auch so beabsichtigt war, weil er seinen Lohn nicht bereits am Monatsersten erhalte.

Die Auffassung des Gläubigers, der Inhalt der Jugendamtsurkunde sei so zu verstehen, dass der Schuldner sich damit zur Zahlung des Unterhalts zum 20. des jeweiligen Vormonats verpflichtet hat, wurde vom Landgericht abgelehnt, weil hiergegen auch der Aufbau der vorformulierten Urkunde spreche. Auf dem Formular des Jugendamts konnte entweder die Zahlung zum Monatsersten oder zu einem anderen Tag des Monats im Voraus angekreuzt werden, wobei dann dieser Tag zu ergänzen ist. Das Landgericht argumentiert damit, dass dann, wenn die Fälligkeit des Unterhalts noch vor dem Monatsersten liegen sollte, denklogisch der Aufbau der Urkunde in umgekehrter Reihenfolge vorgenommen worden wäre.
Damit war der Unterhalt für August 2014 erst am 20.08.2014 zu zahlen und nicht bereits am 20.07.2014. Dass der Unterhalt erst einen Tag später eingetroffen ist, änderte daran nichts, weil es nach § 270 BGB bei einer Geldschuld auf die rechtzeitige Absendung des Geldes ankam. Deshalb waren auch die Unterhaltszahlungen für September und Oktober 2014 fristgerecht.

Die Voraussetzungen einer Vorratspfändung nach § 850 d ZPO lagen ebenfalls nicht vor, weil sich der Schuldner bei Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 16.09.2014 weder ganz noch teilweise in Verzug befand.

Freia Freitag
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht
Bürogemeinschaft Freitag & Voigt – Ihre Kanzlei für Familienrecht



Eingestellt am 17.02.2016
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