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Zur Berücksichtigung von Betreuungsunterhalt für ein minderjähriges Kind im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners für den Elternunterhalt

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15.02.2017 – XII ZB 201/16

Erneut hatte sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners für den Elternunterhalt zu befassen. Dabei hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung festgestellt, dass der vom Unterhaltsschuldner an sein minderjähriges Kind geleistete Betreuungsunterhalt im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit für den Elternunterhalt nicht zu monetarisieren ist. Allerdings ist die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners um dasjenige gemindert, was dieser an sein minderjähriges Kind neben der Betreuungsleistung als Barunterhalt in der Form von Naturalunterhalt erbringt.

In dem Fall, den der BGH zu entscheiden hatte, begehrte der Antragsteller als Sozialhilfeträger von der Antragsgegnerin Elternunterhalt aus übergegangenem Recht. Die Antragsgegnerin und ihre Schwester sind die Töchter ihres im Jahr 1952 geborenen Vaters, der im Zeitraum 2011/2012 etwa ein Dreivierteljahr in einem Pflegeheim untergebracht war und während dieser Zeit von dem Antragsteller Sozialhilfe nach §§ 61 ff. SGB XII in Form von Hilfe zur Pflege in Höhe von insgesamt rund 4.900 € bezog. Beide wurden auf Elternunterhalt von dem Antragsteller in Anspruch genommen. Gegenstand des Verfahrens war jedoch nur die Inanspruchnahme der Antragsgegnerin. Diese erzielte aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit nach Abzug zusätzlicher Altersversorgung und weiterer Kreditverbindlichkeiten ein bereinigtes Nettoeinkommen zwischen etwa 2.700 € und 3.200 €.

Im maßgeblichen Zeitraum betreute die Antragsgegnerin ihren elf und später 12 Jahre alten Sohn, von dessen Vater sie getrennt lebte. Der Vater des Kindes leistete für das Kind monatlichen Barunterhalt von 235 €. Der Antragsteller verlangte von der Antragsgegnerin anteiligen Elternunterhalt in Höhe von rund 4.400 € abzüglich bereits bezahlter rund 1.300 €, somit noch rund 3.100 €. Das Amtsgericht verpflichtete die Antragsgegnerin zur Zahlung dieses Betrages nebst Zinsen. Das Oberlandesgericht (OLG) reduzierte die Unterhaltspflicht der Antragsgegnerin auf deren Beschwerde hin auf rund 3.000 € nebst Zinsen. Der BGH reduzierte die Unterhaltspflicht sodann auf die Rechtsbeschwere der Antragsgegnerin weiter auf rund 2.900 €.

Der BGH stellte zunächst fest, dass das OLG zutreffend einen Unterhaltsanspruch des Vaters gegen die Antragsgegnerin gemäß § 1601 BGB dem Grunde nach angenommen hat, der nach § 94 Abs. 1 SGB XII auf den Antragsteller übergegangen ist. Er begründete seine geringfügig abändernde Entscheidung damit, dass das OLG zu Unrecht den von der Antragsgegnerin für ihr Kind geleisteten Betreuungsunterhalt monetarisiert hat und von deren unterhaltsrelevanten Einkommen abgezogen hat. DER BGH betont dabei, dass die neben dem Barunterhalt geschuldete Betreuung des Kindes der Antragsgegnerin nicht auf Geldleistung gerichtet ist und sich deshalb auch nicht monetarisieren lasse, da die Betreuung des Kindes nicht unmittelbar einkommensmindernd ist. Sie kann aber dazu führen, dass unter den Voraussetzungen der §§ 1570 Abs. 1 S. 2 und 3, Abs. 2, 1615 l Abs. 2 S. 4 und 5 BGB die daneben geleistete Erwerbstätigkeit als überobligatorisch anzusehen ist. In einem solchen Fall wäre das neben der Betreuung erzielte Einkommen im Rahmen der Unterhaltsbemessung nur anteilig zu berücksichtigen. Ein nicht anderweitig gedeckter vorrangiger Barunterhalt an das Kind oder ein an dessen Stelle tretender Naturalunterhalt ist jedoch vom unterhaltsrelevanten Einkommen abzusetzen.

Der Unterhaltsbedarf des minderjährigen Kindes richtet sich beim Verwandtenunterhalt gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Bedürftigen. Seine Lebensstellung leitet sich mangels noch nicht vorhandener eigener Lebensstellung von der beiden Elternteilen ab. Daraus folgt, dass bei der Bedarfsbemessung auf die zusammengerechneten Einkünfte beider Elternteile abzustellen ist. Gemäß § 1612 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S.2 BGB ist das hälftige Kindergeld auf den Unterhaltsbedarf des Kindes anzurechnen. Abzusetzen ist somit von den Erwerbseinkünften der Antragsgegnerin der Barunterhaltsbedarf ihres Kindes nach den gemeinsamen Einkünften der Eltern abzüglich des hälftigen Kindergelds und abzüglich des vom Kindesvater geleisteten Barunterhalts, weil die Antragsgegnerin in dieser Höhe neben dem Betreuungsunterhalt restlichen Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt leistet. Die andere Hälfte des Kindergelds, die die Antragsgegnerin als betreuender Elternteil erhält, ist allerdings nicht einkommenserhöhend zu berücksichtigen, da diese nach dem Willen des Gesetzgebers den betreuenden Elternteil bei der Erbringung der Betreuungsleistung unterstützen soll.

Ein Abschlag für überobligationsmäßige Tätigkeit war nicht vorzunehmen und auch ein pauschaler Betreuungsbonus nicht zu belassen, da keine konkreten Umstände ersichtlich waren, die eine volle Erwerbstätigkeit der Antragsgegnerin neben der Kinderbetreuung als überobligatorisch erscheinen ließen.

Die Rechtsbeschwerde führte letztlich nur insoweit zum Erfolg, soweit die Antragsgegnerin für einen Zeitraum vor Zugang der von dem Antragsteller ausgebrachten Rechtswahrungsanzeige zum Unterhalt verpflichtet worden ist, da rückwirkend erst ab diesem Zeitpunkt Unterhalt aus übergegangenem Recht gefordert werden kann, da die Voraussetzungen für eine Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt rückwirkend zu einem früheren Zeitpunkt nicht vorliegen.



Eingestellt am 27.03.2017
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